1961
Gründung der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen
1960 erwarb das Land Nordrhein-Westfalen 88 Werke des Künstlers Paul Klee aus der Privatsammlung des US-amerikanischen Industriellen G. David Thompson. Damit war der Grundstein für die ein Jahr später gegründete Stiftung Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf gelegt. Kulturpolitisch wurde der Ankauf als ein Akt der Wiedergutmachung und Würdigung von Paul Klees künstlerischen Schaffen verstanden. Nach der „Machtergreifung“ im Jahr 1933 hatten die Nationalsozialisten Paul Klee als Professor der Kunstakademie Düsseldorf entlassen und ins Exil in die Schweiz gezwungen. Seine Werke wurden – wie tausende moderne Gemälde, Skulpturen und Papierarbeiten der Klassischen Avantgarden – als „entartet“ diffamiert, aus Sammlungsbeständen beschlagnahmt und später zerstört oder verkauft.
Werner Schmalenbach (1920–2010) wurde 1961 zum Gründungsdirektor der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen berufen. Schmalenbach gelang es während seiner 28-jährigen Amtszeit eine weltweit einzigartige Sammlung mit Hauptwerken der westlichen Kunstgeschichte aufzubauen. Darunter befinden sich bedeutende Bilder von Max Beckmann, Georges Braque, Max Ernst, Ernst Ludwig Kirchner, Henri Matisse, Piet Mondrian, Pablo Picasso, Robert Rauschenberg und Andy Warhol. Mit Jackson Pollocks drip painting Number 32 (1950), das auf der documenta II in Kassel ausgestellt wurde, gelang 1964 eines der Hauptwerke des abstrakten Expressionismus in die Kunstsammlung. 1965 bezog die junge Sammlung moderner Kunst das um 1750 im Rokoko-Stil erbaute Schloss Jägerhof (heute das Goethe Museum Düsseldorf) und wurde für die Öffentlichkeit zugänglich.
Zwischen 1966 und 1985 gingen die Werke von Paul Klee auf internationale Reisen und waren in 38 Museen in u. a. Brasilien, Israel und Japan zu sehen. Die Ausstellungstournee hatte kulturpolitische Dimensionen und stand im Zeichen des demokratischen Wertewandels in der Bundesrepublik Deutschland. 1968 wurde die auf mehr als 180 Werke angewachsene Sammlung in den großzügigen Galerien der Kunsthalle Düsseldorf präsentiert.
Ende der 1960er bis zu Beginn der 1980er Jahre organisierte Werner Schmalenbach eine Reihe didaktischer Ausstellungen im Schloss Jägerhof. Anhand des Bestandes widmeten sich die thematischen Präsentationen den Biografien der Künstler Pablo Picasso, Georges Braque und Max Ernst, untersuchten Stile wie den Surrealismus und Kubismus oder thematisierten die Entwicklung der Kunstgattung Skulptur.
Im Jahr 1969 wurden die Freunde der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen gegründet. Mit großem Engagement unterstützten sie die Weiterentwicklung der Sammlung durch Ankäufe bedeutender Kunstwerke von Künstler*innen wie Francis Bacon, Isa Genzken, Alice Neel, Gerhard Richter und Ai Weiwei, die sie dem Museum als uneingeschränkte Dauerleihgabe zur Verfügung stellen.
1986
K20 am Grabbeplatz
1986 eröffnete die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen das K20 am Düsseldorfer Grabbeplatz. Der neue Museumsbau mit seiner Fassade aus schwarz glänzendem Bornholmer Granit wurde von den Kopenhagener Architekten Dissing+Weitling entworfen. Die großzügig gestalteten und weit fließenden Innenräume mit ihren bis zu sechs Meter hohen Tageslichtdecken ließen die einzigartigen Sammlungsbilder der Klassischen Moderne und Nachkriegskunst in neuem Licht erstrahlen. Vervollständigt wurde die Einrichtung der Museumsräume mit Mobiliar des Designers Arne Jacobsen (1902–1971).
Armin Zweite (geb. 1941) war von 1990 bis 2007 Direktor der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen. Wie der Gründungsdirektor Werner Schmalenbach setzte er für die Erweiterung der Sammlung nicht „auf enzyklopädische Vollständigkeit“, sondern verfolgte das Ziel, individuelle „Werke zu sammeln, die auch in zukünftiger Vergangenheit Bestand haben“ würden[1]. Während seiner Amtszeit ergänzte Zweite die Gemäldesammlung systematisch um weitere Kunstgattungen und setzte einen Schwerpunkt auf den Ankauf von Skulpturen, Fotografien, Installationen und neue zeitgenössische Kunstformen.
Ab 1990 gelangten neben bedeutenden modernen Gemälden von Chaïm Soutine und René Magritte bahnbrechende Werke der US-amerikanischen Künstler Barnett Newman, Donald Judd, Sol LeWitt und Richard Serra in die Sammlung. 1993 wurde mit Palazzo Regale (1985) die letzte große Installation des Düsseldorfer Künstlers Joseph Beuys erworben, die heute permanent in K20 ausgestellt ist. Später folgten weitere raumgreifende Werke und Environments, darunter Section Publicité du Musée d’Art Moderne, Département des Aigles (1972) von Marcel Broodthaers, Genter Raum (1979/80) von Imi Knoebel, Grey Dawn (1991/92) von James Turrell und Hanne Darbovens Evolution >86< (1986). Ab 1998 Jahren hielten Bilder der international bekannten Düsseldorfer Fotograf*innen Bernd und Hilla Becher, Andreas Gursky, Katharina Sieverding und Thomas Ruff Einzug in die Sammlung. Mit Werken wie diesen erweiterte die Kunstsammlung ihren Bestand um Kunst- und Ausdrucksformen jenseits der klassischen Malerei.
Um mehr Raum für die Sammlung und das Ausstellungsprogramm zu schaffen, wurde 2010 der K20 Erweiterungsbau feierlich eröffnet. Umgesetzt von den Architekten Dissing+Weitling ist die Ausstellungsfläche am Grabbeplatz auf mehr als 5.000 m² angewachsen.
[1]
Armin Zweite, „Vorwort“, in: Einblicke. Das 20. Jahrhundert in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen Düsseldorf, Ostfildern-Ruit 2010, S. 10.
2002
K21 am Kaiserteich
2002 eröffnete die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen das K21 in Düsseldorf. Das Museum für internationale Gegenwartskunst bezog das Ständehaus, das ehemalige Parlamentsgebäude der Landesregierung Nordrhein-Westfalen, das 1880 vom Architekten Julius C. Raschdorff im Stil der Neorenaissance errichtet und während des Zweiten Weltkrieges durch einen Bombeneinschlag stark zerstört wurde. Den Umbau des Parlamentsgebäudes in ein zeitgenössisches Kunstmuseum verantworteten Kiessler Architekten aus München. Besonders eindrücklich gestalteten sie die gläserne Kuppel, die weitläufige unterirdische Ausstellungshalle mit Blickverbindung zum Kaiserteich und den über der Piazza schwebenden White Cube, in dem die begehbare Rauminstallation Deutschlandgerät (1990/2002) von Reinhard Mucha permanent ausgestellt ist.
2004 erwarb das Land Nordrhein-Westfalen mehr als 150 Werke aus der Privatsammlung Simone und Heinz Ackermans. Mit dem Erwerb gelangten großformatige Skulpturen, fotografische Arbeiten und raumgreifende Videoinstallationen von Künstler*innen wie Katharina Fritsch, Steve McQueen, Shirin Neshat, Thomas Schütte und Jeff Wall in die Kunstsammlung und ergänzten die Bestände der internationalen Gegenwartskunst.
Von 2009 bis 2016 übernahm Marion Ackermann (geb. 1965) die Leitung der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen. Ihr Ziel war es, die Sammlung dynamischer zu gestalten, die Betrachter*innen „zur Partizipation im Museum“[2] einzuladen und die Klassische Moderne mit der Gegenwartskunst stärker in Beziehung zu setzen. Während ihrer Amtszeit erweiterte sie die Sammlung um große Werke und Konvolute der zeitgenössischen Künstler*innen Janet Cardiff & George Bures Miller, Katharina Fritsch, Thomas Hirschhorn, Tomás Saraceno, Wolfgang Tillmans und Rosemarie Trockel.
Zwischen 2013 und 2015 erwarb das Land Nordrhein-Westfalen die Sammlung Dorothee und Konrad Fischer mit wegweisenden Werken des Minimalismus und der Konzeptkunst für die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen. Neben Arbeiten von Carl André, Daniel Buren, Stanley Brouwn, On Kawara, Bruce Nauman, Sol LeWitt und Lawrence Weiner gelangte das Archiv der Konrad Fischer Galerie mit zahlreichen Dokumentationsmaterialien, Korrespondenzen und Fotografien als Schenkung in die Kunstsammlung. In einem eigens eingerichteten Raum in K21 werden ausgewählte Werke dieses Sammlungsbestands präsentiert und das dokumentarische Archiv digital zugänglich gemacht.
Seit 2017 leitet Susanne Gaensheimer (geb. 1967) die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen. Im Wechselspiel mit einem internationalen Ausstellungsprogramm erweitert sie die Sammlung programmatisch im Zeichen der Öffnung, Vielstimmigkeit und Digitalisierung. „Auf der substanziellen Basis der hervorragenden, von Werner Schmalenbach angelegten Sammlung, stehen wir vor der Aufgabe, ‚seinen‘ Blick auf die Moderne zu befragen und die bedeutende Sammlung im Horizont des globalen Wandels zu erweitern“, so Gaensheimer. Seit 2017 sind bedeutende Werke der wegweisenden Künstler*innen Etel Adnan, Kader Attia, Cao Fei, Isa Genzken, Carmen Herrera, Gabriele Münter, Alice Neel, Isaac Julien, Anne Truitt, Ai Weiwei u.v.a. in die Sammlung eingegangen.
[2]
Marion Ackermann, „Vorwort“, in: Meisterwerke des 20. Jahrhunderts. Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen Düsseldorf, München 2010, S. 9.
Mit gezielten Erwerbungen von Werken wegweisender Künstlerinnen der Moderne sowie von Künstler*innen aus nichtwestlichen Ländern wurde die Sammlung wesentlich erweitert und diversifiziert. Gab es noch 2017 kein Werk einer Künstlerin der Klassischen Moderne und genau zwei Werke von Künstlerinnen der Nachkriegsmoderne, wurde der Anteil der weiblichen und global-internationalen Künstler in den letzten sechs Jahren signifikant erhöht. In einer neuen Sammlungspräsentation von der Sammlungsleiterin Vivien Trommer unter der Leitung von Susanne Gaensheimer wird die stark erweiterte und modernisierte Sammlung erstmals in all ihren Facetten sichtbar.
2023 hat die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit den Freunden der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen den K21 Global Art Award ins Leben gerufen. Der Preis ist mit einem Ankauf für die Sammlung verbunden und leistet einen wichtigen Beitrag, um die Sammlungsarbeit strukturell zu öffnen und die Sammlung vielstimmiger und globaler zu gestalten.